Als der Schnadezug verboten war


Zu Beginn des Jahres 1841 wurde im Amtsblatt Nr. 7 der Regierung in Arnsberg die folgende Verfügung bekannt gegeben:

»Die an einigen Orten noch üblichen Grenz- oder Schnadenzüge haben in der neuern Zeit, namentlich in der Gemeinde Brilon, zur Verübung mehrer grober Excesse Veranlassung gegeben. Da derartige Züge in der jetzigen Zeit keinen Nutzen mehr gewähren, weil bei der vollendeten Katastrirung des Grund und Bodens eine Verdunkelung der Grenzen nicht leicht möglich ist, eintretenden Falles aber ihne Theilnahme der einzelnen Gemeindeglieder von den Behörden gehoben werden kann, so werden diese bisher an einigen Orten noch üblichen Grenzzüge, in Folge Bestimmung des Königlichen Ministeriums des Innern und der Polizei ganz untersagt, uns sämmtliche Ortsbehörden sowie die Königlichen Landräthe unseres Bezirks hiedurch angewiesen, Niemanden zur Veranstaltung eines Grenzzuges, welcher die Begehung einer Jagd-, Gemarkungs- oder Gemeinde-Grenze durch die Gemeindeglieder oder sonstiger bei Feststellung der Grenzen nicht interessirter Personen zum Zweck hat, die Erlaubniß zu ertheilen.

Zugleich wird bestimmt, daß Derjenige, welcher ohne Einfluss einen derartigen Grenzzug veranstaltet, in eine Polizeistrafe von 50 Thlr. Oder 4 Wochen Gefängniß, Jeder aber, welcher daran Theil nimmt, in eine Polizeistrafe von 1 bis 5 Thlr. oder Gefängniß von 2 bis 8 Tagen verurtheilt werden wird.

Arnsberg, den 3. Februar 1841«

 

Was war geschehen? Eigentlich verlief der Schnadezug des Jahres 1840 bis zum frühen Abend relativ ruhig und in der üblichen, von der Tradition bestimmten Weise. Nichts deutete darauf hin, dass dieser Schnadezug in irgendeiner Weise in die Geschichte eingehen sollte.

Gegen 20.30 Uhr am Abend jedoch, als die Schnadebrüder schon auf dem Heimweg waren, wurde kurz vor der Stadt der Schmied Franz Vogel durch einen Messerstich getötet. Die Täter, zwei Brüder, wurden noch in der gleichen Nacht gefasst.

Schon am nächsten Morgen sah sich Bürgermeister Friedrich Martini, das kommende Unheil wohl vorausahnend, veranlasst, einen dringenden Brief an den ebenfalls in Brilon residierenden Landrat Maximilian Freiherr von Droste-Padtberg zu schicken, und ihm von dieser bisher noch nie da gewesenen Schandtat zu berichten. Der Landrat ordnete daraufhin eine sofortige und umfassende Untersuchung an.

Obgleich diese eine Tat schon schlimm genug war, mussten dem Landrat in den nächsten Tagen kleinlaut noch weitere Vergehen gemeldet werden, die sich während des Schnadezuges ereignet hatten und die in der Folge zur Verhaftung von insgesamt neun Personen führten. Dabei handelte es sich um Misshandlungen einiger Bürger sowie um Flurschäden größeren Ausmaßes.

Da Bürgermeister Martini im Laufe der Untersuchung auch noch eingestehen musste, dass es bereits im Jahre 1826 zu einem zwar nicht tödlichen, aber doch blutigen Zwischenfall gekommen war, sah sich die Regierung schließlich veranlasst, die Schnadezüge zu verbieten.

In Brilon war man hierüber entsetzt und setzte in der Folgezeit alle Hebel in Bewegung, dieses Verbot wieder rückgängig zu machen. Diese Bemühungen blieben jedoch zunächst ohne Erfolg, so dass der Schnadezug des Jahres 1842 tatsächlich ausfallen musste. Auch 1844 und 1846 war den Eingaben an Landrat, Regierung und sogar an den preußischen König kein Erfolg beschieden.

Für das Jahr 1844 ist zwar eine Schnade in den Chroniken verzeichnet, nämlich die zwischen Brilon und Scharfenberg, jedoch wurde diese unter Ausschluss der Öffentlichkeit lediglich von dem Oberförster und zwei Flurschützen gezogen.

Erst im Jahre 1848 war eine Eingabe der Stadt an das preußische Ministerium des Innern erfolgreich:
 

»Es wird der Schnade-Umzug nach dem früheren Turnus und unter den vom Magistrat festzustellenden Bedingungen wieder gestattet werden . . . «

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